Freistuss Nr. 42: Superzahl Mazedonien

Die Vorstellung, morgens in aller Ruhe zum Bankautomaten zu schlendern und dort zu überprüfen, ob unter "Kontostand" neuerdings tatsächlich etwa 37.000.000,00 EUR ausgewiesen werden, hat schon etwas Faszinierendes.
Dass der Traum vom großen Geld durch ein einziges ausgefülltes Kästchen auf einem Lottoschein zur Realität wird, ist allerdings verhältnismäßig unwahrscheinlich. Die Chance auf den Jackpot liegt bei lediglich eins zu 139.838.159 – und damit ähnlich hoch wie jene, dass millionenschwere russische Erdgasförderunternehmen plötzlich auch Interesse zeigen könnten, Privatpersonen zu sponsern. Es muss andere Wege geben, mit mäßigem Aufwand zu einem übermäßigen Vermögen zu kommen.
Die Geschichte mit den Kreuzchen und den kleinen Kugeln war mir ohnehin immer etwas suspekt. Ohne jegliches Vorwissen soll man sich für sechs Zahlen entscheiden und ist anschließend machtlos dem Zufall ausgeliefert? Die Wahrscheinlichkeit, dass beispielsweise ausgerechnet die "28" einige Sekunden lang aus dem Bildschirm in die heimischen Wohnzimmer blicken darf, ist nicht größer oder kleiner als die, dass dieses Schicksal einen ihrer 48 Mitstreiter trifft. Beim Lotto gibt es einfach keine Argumente.
Echte Gewinnertypen platzieren stattdessen Sportwetten. Ganz konservativ, versteht sich. Schließlich haben Voraussagen über die Endresultate von Fußballspielen nichts, aber auch gar nichts mit Glücksspiel zu tun. Man schaut nicht auf die Quoten, man setzt nicht auf seinen Lieblingsclub – und sollte mit einer ausgewogenen Mischung aus Fachwissen und Laienpsychologie auf der sicheren Seite sein.
Die Qualifikationsgruppen zu großen Turnieren sind dabei des Tippers "El Dorado". Während sich in der Bundesliga zwischen Hamburg und München, Aachen und Cottbus die qualitativen Unterschiede von Wochenende zu Wochenende mehr angleichen, gibt es sie auf kontinentaler Ebene nämlich noch – klare Favoriten.
Mit einer bodenständigen Vierer-Kombination wähnte ich mich am Sonnabend auf Erfolgskurs: Englands Kicker haben zwar während der WM den Zuschauer nur selten entzückt; gegen Mazedonien sollte es jedoch immer reichen, zumal vor mehr als 70.000 Zuschauern im "Old Trafford".
Dass die Spanier nach dem blamablen 2:3 in Nordirland bei den im Umbruch befindlichen Schweden groß auftrumpfen würden, stand für mich ebenso außer Frage, wie die Überlegenheit des Vize-Weltmeisters Frankreich in Glasgow. Und um die Sache abzurunden, fand auch noch der unvermeidliche irische Auswärtssieg auf Zypern Eingang in meine "Selbstläufer"-Wette. "Leichter kann man sein Geld nicht versechsfachen", hatte ich mittags noch gedacht. Und wurde eines Besseren belehrt.
Im Grunde ist Fußball nichts anderes als "28, 30, 31, 34, 41, 48 und die Superzahl 4". Mit dem einzigen Unterschied, dass deutlich mehr darüber geschrieben und geredet wird.
(Christian Helms, sportal.de)
freistuss - 9. Okt, 13:34