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Freistuss Nr. 40: Zur Lage der Nation

Zwischen gefrorenem Gammelfleisch, einer zerredeten Gesundheitsreform und einem entgleisten Transrapid, so sollte man zumindest meinen, dürfte es König Fußball doch gar nicht so schwer fallen, durch positive Schlagzeilen aufzufallen. Doch statt der Republik das Gefühl zu vermitteln, dass momentan mitnichten alles schief läuft, dümpelt die Liga weiter bemerkenswert niveauarm vor sich hin.

Die "Alte Dame" aus Berlin wurde nach ihren sieben Tagen Ruhm wieder aus der herbstlichen Sonne geschoben, damit der begehrte Spitzenplatz frei wird für den Rekordmeister. Nicht berauschender Champagner-Fußball – oder wenigstens solide Festbier-Braukunst – führten Michael Ballacks Erben zurück auf die Normalposition; vielmehr ein rabenschwarzer Tag des Unparteiischen Markus Schmidt, der zuweilen so einseitig zu Ungunsten der tapferen Aachener entschied, dass selbst die kroatischen Gebrüder Sapina bei der abendlichen Sportschau die Stirn in Falten gelegt haben dürften.

Auf Schalke wurde derweil das Experiment "Teambuilding durch exzessives Stille-Post-Spiel" abgebrochen; vielleicht ja mit der Einsicht, dass man seine internen Probleme im Grunde genau so effektiv im Nachmittagsfernsehen von Richterin Barbara Salesch lösen lassen könnte. Immerhin gewinnen die Gelsenkirchener ihre Heimspiele; das reicht, um vorne mit dabei zu sein. Wirklich ansehnlich ist es indes nicht.

Die beiden Clubs aus dem Norden, die im vergangenen Spieljahr noch so viel Freude bereiteten, Werder Bremen und der Hamburger SV, verpassten am Samstag die große Gelegenheit, sich aus der Krise zu treten. Je ein Tor und ein fliegender Teppich mit gesundheitsgefährdenden Schraubstollen-Fransen, das war's auch schon. Der große Wurf gelang keinem, zum Glück auch nicht den Denksportlern auf der Nordtribüne der AOL-Arena, die ganz offensichtlich nicht einmal den Sinn des Schraubverschlusses einer Kräuterlikörflasche verstanden haben.

Wenig Erbauliches – und dennoch pilgern die Zuschauer weiter in Scharen in die modernen Arenen. Mehr als 40.000 im Liga-Schnitt. Quervergleiche auf europäischer Ebene, wie sie unter der Woche wieder anstehen, sind dabei mittelfristig fast schon eine echte Gefährdung für das, warum auch immer, so gut funktionierende Gebilde Fußball-Bundesliga, bekommt der Fan doch dort unter Umständen vor Augen geführt, welch minderwertiges Produkt er im Zwei-Wochen-Rhythmus eigentlich erwirbt.

Der HSV gastiert am Dienstag in Moskau, am Mittwoch erwartet Werder Bremen den Titelverteidiger aus Barcelona und der FC Bayern darf sich im Giuseppe-Meazza-Stadion mit der Weltauswahl von Inter Mailand messen. Nein, ich rechne auch in dieser Woche nicht mit freudigen Schlagzeilen. Es sei denn natürlich, in der Gesundheitsreform wird endlich ein Kompromiss gefunden.

(Christian Helms, sportal.de)

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Zuletzt aktualisiert: 6. Nov, 12:42

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