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Freistuss Nr. 38: Musik und Bratwurst

Vehement hatte Thomas Doll seine Spieler davor gewarnt, die Dienstreise nach Stuttgart-Degerloch als entspannten Betriebsausflug zu verstehen. "Es wird dort ein bisschen Musik gespielt werden und nach Bratwürsten riechen", prophezeite der HSV-Coach vor der Pokal-Prüfung beim Regionalligisten Stuttgarter Kickers. "Man kommt sich dann schnell vor wie in der Vorbereitung." Sehr schnell offensichtlich, am Ende stand ein peinliches 3:4.

Das Aus der Hamburger war dabei kein Einzelfall: Gleich fünf Bundesligisten verabschiedeten sich im Bratwurstdunst der Fußballprovinz bereits in der ersten Runde aus dem Wettbewerb. "Es reicht nicht, den Anspruch zu haben, erste Wahl zu sein. Man muss es auch zeigen", so Bremens Thomas Schaaf, dessen Elf in Pirmasens zuvor ebendies eindrucksvoll versäumt hatte.

In der Regionalliga werde halt mittlerweile genau so oft trainiert, zudem sei der Außenseiter in diesen "Jahrhundert-Spielen" besonders motiviert, lauten die altbekannten Erklärungsansätze. Auch die Länderspielpause oder die anstehenden Duelle mit den Top-Teams aus der Premier League wurden mehrfach angeführt. In Cottbus, Mainz und Bielefeld
seltener, zugegebenermaßen.

Fünf Sensationen, während sich im Vorjahr lediglich der 1. FC Köln blamierte – wenn davon nach einem 1:3 beim Zweitligisten Offenbach überhaupt die Rede sein kann. BVB-Schlussmann Roman Weidenfeller faselte übrigens nach dem wenig ruhmreichen 3:0-Sieg beim Fünftligisten TSG Thannhausen: "Es ist schwer zu spielen, wenn sich ein ganzes Dorf gegen einen stemmt." Sicher doch. Und seine eigenen Gesetze hat der Pokal natürlich auch…

An einen statistischen Aussetzer mag in einer Zeit, da jedes Ereignis als Start- oder Endpunkt eines Trends begriffen wird, sowieso niemand glauben. Deshalb betrachten wir die Fußball-Woche einmal in ihrer Gesamtheit; eine Woche, in der das Kräftemessen zwischen David und Goliath durchaus als Leitmotiv angesehen werden darf.

So könnten die 13 Tore von San Marino letztlich doch einen größeren sportlichen Wert gehabt haben, als zunächst angenommen wurde. Vielleicht hat ja das Schützenfest von Serravalle manchem Profi suggeriert, dass Berti Vogts doch Unrecht hatte mit seiner Behauptung, es gebe keine Kleinen mehr im Welt-Fußball. Vielleicht hat mancher tatsächlich geglaubt, Werder Bremen verhalte sich zu FK Pirmasens ähnlich wie WM-Dritter zu Zwergstaat bei Rimini, der einmal gegen Liechtenstein gewonnen hat.

Nur ein Gedanke – unter Umständen riecht es in San Marino auch schlicht und ergreifend nicht so sehr nach Bratwurst.

(Christian Helms, sportal.de)

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Zuletzt aktualisiert: 6. Nov, 12:42

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