Freistuss Nr. 34: Einigkeit und Recht und Alltag
Vier Wochen lang war die Welt zu Gast bei Freunden. Sie bestaunte dabei ein begeisterungswilliges Volk, das das Geschehen auf dem Rasen kurzerhand zur Nebensache erklärte. Das seine Helden ausgelassen und friedlich feierte, obwohl diese die klare Vorgabe des Bundestrainers um zwei Plätze verfehlt hatten. Und das selbst ödestes Ballgeschiebe dank wiederholter "La Ola" und lauter "Lukas Podolski"-Sprechchöre noch in große Fußball-Partys verwandelte. Übrigens unabhängig davon, ob der Lukas nun gerade mitspielte oder nicht.
Die Welt ist natürlich längst weiter gezogen – zurück nach Kalifornien beispielsweise. Oder an die Themse. Geblieben sind die Erinnerungen an die schönen Bilder von den Fanmeilen sowie die Hoffnung, die berühmte "WM-Euphorie" lasse sich irgendwie in die 44. Spielzeit der Fußball-Bundesliga retten. Doch auch das Abspielen der Nationalhymne vor dem Saisonauftakt in der Allianz-Arena (vormals "FIFA WM-Stadion München") konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir wieder in der Normalität angekommen sind. Einigkeit und Recht und jede Menge Liga-Alltag.
Goleo hin, "Public Viewing" her – Fußball-Deutschland wurde spätestens mit dem Abpfiff am Freitagabend wieder in den Lieferzustand zurückversetzt. Der FC Bayern München scheint auch im 16:9-Format der Konkurrenz ein wenig voraus zu sein. Übrigens unabhängig davon, ob der Lukas nun mitspielte oder nicht.
Vom WM-Gefühl ist nur wenig geblieben: So bejubelte ein ganzes Stadion den verschossenen Elfmeter von Tim Borowski, um schließlich gar, als Miroslav Klose sechs Minuten vor dem Abpfiff zum entscheidenden 3:2 einschoss, gänzlich zu verstummen. Keine Spur mehr vom neuen deutschen Patriotismus!
Ein weiteres Indiz dafür, dass die Endrunde endgültig vorbei ist: Jürgen Klopp hat seine Fritz-Walter-Kluft wieder im Kleiderschrank verstaut. Auffällig entspannt kommentierte der FSV-Coach die Darbietung seiner Mannschaft auf der Pressekonferenz nach dem Spiel; vielleicht auch, weil er nicht mehr fürchten musste, dass ihm Johannes B. Kerner ins Wort fallen könnte. Oder plötzlich die Scheinwerfer aufleuchten und Spaßmacher Pelé in den Raum stürmt, um die Medienvertreter mit heißen Sambarhythmen zu verzaubern.
Sicher, nach gelungenen Spielszenen servierte uns das Fernsehen weiterhin Superstar Diego in diversen Nahaufnahmen. Mit dem Unterschied allerdings, dass dieser sich nicht mehr im Argentinien-Trikot an seiner kubanischen Zigarre erfreute, sondern im Werder-Shirt über den Platz trottete. Italiens Weltmeistercoach Marcello Lippi hat derweil die Rolle des ergrauten Vorzeige-Trainerfuchses wieder an Hans Meyer abgeben müssen.
Das Regime der Großbildleinwände und der Hitzerekorde musste weichen – für Oliver Welke und Nieselregen. Der Fußball schreitet mit riesigen Schritten dem Herbst entgegen und fühlt sich wieder genau so an wie vor der WM. Wer nach dem ersten Spieltag durch die Stadt spazierte, lief nicht mehr Gefahr, dass ihm Kleingruppen patriotischer Girlies die neuesten Hits von Olli Pocher oder den Sportfreunden Stiller ins Ohr brüllten. Keine Anhänger mehr, die bei der Auswahl ihrer Klamotten einzig überlegt haben, ob diese nun in erster Linie knapp oder schwarz-rot-gold sein sollten. Oder die "Sagnol" für ein neues Alkopop-Getränk halten.
Natürlich ist jeder, der sich für diesen wunderbaren Sport und seine spannenden Geschichten begeistern kann, herzlich willkommen. Es ist jedoch schön zu sehen, dass der Fußball auch ohne das FIFA-Logo noch funktioniert. Dass Menschen auch ohne Gesichtsbemalung feiern können, dass ihr Team sich mühevoll gegen Aufsteiger Cottbus durchgesetzt hat. Oder gemeinsam beklagen, dass ihre Elf unter dem Strich statt totaler Dominanz wieder nur totale Grütze geboten hat.
Schön, dass die Bundesliga wieder da ist.
(Christian Helms, sportal.de)
Die Welt ist natürlich längst weiter gezogen – zurück nach Kalifornien beispielsweise. Oder an die Themse. Geblieben sind die Erinnerungen an die schönen Bilder von den Fanmeilen sowie die Hoffnung, die berühmte "WM-Euphorie" lasse sich irgendwie in die 44. Spielzeit der Fußball-Bundesliga retten. Doch auch das Abspielen der Nationalhymne vor dem Saisonauftakt in der Allianz-Arena (vormals "FIFA WM-Stadion München") konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir wieder in der Normalität angekommen sind. Einigkeit und Recht und jede Menge Liga-Alltag.
Goleo hin, "Public Viewing" her – Fußball-Deutschland wurde spätestens mit dem Abpfiff am Freitagabend wieder in den Lieferzustand zurückversetzt. Der FC Bayern München scheint auch im 16:9-Format der Konkurrenz ein wenig voraus zu sein. Übrigens unabhängig davon, ob der Lukas nun mitspielte oder nicht.
Vom WM-Gefühl ist nur wenig geblieben: So bejubelte ein ganzes Stadion den verschossenen Elfmeter von Tim Borowski, um schließlich gar, als Miroslav Klose sechs Minuten vor dem Abpfiff zum entscheidenden 3:2 einschoss, gänzlich zu verstummen. Keine Spur mehr vom neuen deutschen Patriotismus!
Ein weiteres Indiz dafür, dass die Endrunde endgültig vorbei ist: Jürgen Klopp hat seine Fritz-Walter-Kluft wieder im Kleiderschrank verstaut. Auffällig entspannt kommentierte der FSV-Coach die Darbietung seiner Mannschaft auf der Pressekonferenz nach dem Spiel; vielleicht auch, weil er nicht mehr fürchten musste, dass ihm Johannes B. Kerner ins Wort fallen könnte. Oder plötzlich die Scheinwerfer aufleuchten und Spaßmacher Pelé in den Raum stürmt, um die Medienvertreter mit heißen Sambarhythmen zu verzaubern.
Sicher, nach gelungenen Spielszenen servierte uns das Fernsehen weiterhin Superstar Diego in diversen Nahaufnahmen. Mit dem Unterschied allerdings, dass dieser sich nicht mehr im Argentinien-Trikot an seiner kubanischen Zigarre erfreute, sondern im Werder-Shirt über den Platz trottete. Italiens Weltmeistercoach Marcello Lippi hat derweil die Rolle des ergrauten Vorzeige-Trainerfuchses wieder an Hans Meyer abgeben müssen.
Das Regime der Großbildleinwände und der Hitzerekorde musste weichen – für Oliver Welke und Nieselregen. Der Fußball schreitet mit riesigen Schritten dem Herbst entgegen und fühlt sich wieder genau so an wie vor der WM. Wer nach dem ersten Spieltag durch die Stadt spazierte, lief nicht mehr Gefahr, dass ihm Kleingruppen patriotischer Girlies die neuesten Hits von Olli Pocher oder den Sportfreunden Stiller ins Ohr brüllten. Keine Anhänger mehr, die bei der Auswahl ihrer Klamotten einzig überlegt haben, ob diese nun in erster Linie knapp oder schwarz-rot-gold sein sollten. Oder die "Sagnol" für ein neues Alkopop-Getränk halten.
Natürlich ist jeder, der sich für diesen wunderbaren Sport und seine spannenden Geschichten begeistern kann, herzlich willkommen. Es ist jedoch schön zu sehen, dass der Fußball auch ohne das FIFA-Logo noch funktioniert. Dass Menschen auch ohne Gesichtsbemalung feiern können, dass ihr Team sich mühevoll gegen Aufsteiger Cottbus durchgesetzt hat. Oder gemeinsam beklagen, dass ihre Elf unter dem Strich statt totaler Dominanz wieder nur totale Grütze geboten hat.
Schön, dass die Bundesliga wieder da ist.
(Christian Helms, sportal.de)
freistuss - 14. Aug, 10:00