Freistuss Nr. 14: Eine WM ohne Bora Milutinovic?

Vor etwas mehr als 20 Jahren verzichtete der mexikanische Verband einigermaßen überraschend auf die Durchführung der nationalen Fußball-Meisterschaft. Zu bedeutend war die anstehende "Mundial" im eigenen Lande und zu überzeugend das Konzept des dunkelhaarigen Serben, der den Azteken den größten Erfolg ihrer Fußballgeschichte versprach: Velibor "Bora" Milutinovic.

Ein ganzes Jahr lang wurden die Nationalspieler von ihren Vereinen abgezogen, um sich unter der Anleitung von Milutinovic gezielt auf die WM-Endrunde vorzubereiten. Die Fans wurden derweil mit zwei Kurzturnieren der geschwächten Vereinsteams bei Laune gehalten, während der "Club Mexico" im wohl längsten Trainingslager aller Zeiten sein Zusammenspiel perfektionieren durfte und zusätzlich noch gut 60 (!) Testspiele bestritt. Sicherlich nicht das schlechteste Modell, nur leider heutzutage nicht einmal mehr in der Nähe des Umsetzbaren. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie Uli Hoeneß und seine Kollegen im Frühjahr 2005 auf eine derartige Forderung Jürgen Klinsmanns reagiert hätten.

Doch die ungewöhnliche Maßnahme des international bis dahin recht unbekannten Milutinovic trug Früchte, mit dem Einzug ins Viertelfinale bescherte er den stolzen Mittelamerikanern ihren bis heute größten WM-Erfolg. Für den Trainer sollte es nicht der letzte Auftritt bei einem Weltturnier sein, mit Costa Rica (1990), den USA (1994), Nigeria (1998) und zuletzt China (2002) verdiente er sich nicht nur den Beinamen "Weltenbummler", sondern wurde über die Jahre auch zum inoffiziellen Maskottchen der FIFA-Veranstaltung – beständiges Beiwerk zu Pique, der schnauzbärtigen Chili-Schote mit Sombrero, oder den drei verstrahlten Comic-Milben, die die Japaner vor dreieinhalb Jahren anboten. Eine WM ohne "Bora" war nicht mehr vorstellbar.

Im letzten Sommer warf der mittlerweile ergraute Serbe in Honduras hin – bis dahin ein sicherer Tipp für eine Endrunden-Teilnahme –, um in der Folge in Katar sein Glück als Coach des Serienmeisters Al-Sadd zu suchen. Vor wenigen Wochen endete auch der 152. Trainerjob und sofort wandte sich Milutinovic wieder seiner Bestimmung zu. "Die Arbeit mit einer Nationalmannschaft fehlt mir." Und nun? Den letzten wirklich interessanten Posten schnappte ihm im Spätsommer Guus Hiddink weg, der nach den beiden Halbfinalteilnahmen mit den Niederlanden (1998) sowie Südkorea (2002) deutliche Symptome mittelschweren WM-Fiebers zeigte und trotz seines Engagements in Eindhoven zusätzlich noch als Verantwortlicher der "Socceroos" anheuerte.

Russland, in der Qualifikation gescheitert, sei interessiert, wurde kürzlich vermeldet. Doch Milutinovic will sich alle Chancen offen halten: "Ich weiß noch nicht, wohin ich gehe. Nächstes Jahr werde ich aber ganz sicher in Deutschland dabei sein – ob nun als Coach oder als Fan." Ein klassischer Prämienstreit kann die Situation vor solch einem Turnier schließlich blitzschnell verändern, mancherorts gibt es vielleicht sogar etwas so Absurdes wie eine "Wohnsitzdebatte" – und dann wird wieder ein Trainer mit WM-Erfahrung gesucht...

(Christian Helms, sportal.de)

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