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Montag, 2. Oktober 2006

Freistuss Nr. 41: Mathematik bei Herrn Kahn

Meist presst Oliver Kahn seine Laute regelrecht hervor. Der Schlussmann des FC Bayern wirkt dabei oft so angestrengt, als wollte er nicht nur der Fußball-Welt, sondern auch allen Logopäden auf diesem Planeten demonstrieren, wie hart man arbeiten muss, um Erfolg zu haben. Dreimal Welttorhüter des Jahres, die Champions League oder die menschliche Stimme – so etwas erreicht man eben nur, wenn man immer bereit ist, an seine Grenzen zu gehen. Entspannen sollen gefälligst andere.

Bemühte Oliver Kahn schon unmittelbar nach den Pleiten in Bielefeld ("Es reicht eben nicht zu glauben, man könne mit 60 oder 70 Prozent gewinnen.") und Wolfsburg ("Der FC Bayern muss überall, wo er auftritt, 120 Prozent geben.") die höhere Mathematik, hat der Keeper am späten Samstagabend offensichtlich noch einmal ganz genau nachgerechnet.

Zwar gab er nicht bekannt, welcher Aufwand nun tatsächlich für den nächsten nationalen Titel vonnöten sein wird, kam aber zu einer überraschend gelassenen Einsicht. In seiner Stimme lag plötzlich auch kaum mehr etwas Verbissenes. "Wenn Du solche Spiele wie in Bielefeld oder in Wolfsburg vergeigst, wirst Du eben nicht mit zehn Punkten Vorsprung Meister, sondern nur mit einem." In der Bundesliga darf es halt auch gerne mal ein bisschen weniger sein. Es reicht ja trotzdem.

Das Wort Länderspielpause signalisierte dem Titanen jahrelang Länderspiel und nicht etwa Pause. Heute bedeutet es, sich zunächst einmal bei "Wetten, dass..?" auf die gemütliche Couch zu kuscheln, der Sängerin Pink dabei möglichst unauffällig aufs Hinterteil zu lugen, um dann am nächsten Tag mit Claudio Pizarro übers Oktoberfest zu schlendern. Vom Prozent- zum Promillerechner.

Und warum auch nicht? Oliver Kahn weiß genau, dass der Fehlstart der Bayern in den kommenden zwei Wochen kein großes Thema sein wird, weil es gleichzeitig ein Fehlstart der gesamten Liga ist. Knapp 18 Prozent der Saison sind nun absolviert und das Spitzenreiterquintett – ein phänomenales Wort… – hat gerade einmal 56 Prozent der möglichen Punkte eingefahren. Die höchste deutsche Spielklasse kämpft weiterhin ähnlich verzweifelt um Struktur wie das Mittelfeld des Hamburger SV.

Der nach Mike Hankes Treffer gegen die Bayern übrigens der letzte Club der Liga ist, der lediglich null Promille seiner Spiele gewonnen hat. Selbst Thomas Doll könnte diese Quote höchstens noch in Richtung "null Prozent" schönreden, mehr aber auch nicht. Auf einen Abstiegsplatz abgerutscht und absurderweise gleichzeitig einer der Gewinner des Spieltags; immerhin hat man einen Punkt auf den Tabellenführer gut gemacht.

Wer das momentan ist, interessiert dabei im Grunde auch niemanden – schließlich hat Olli Kahn ja schon errechnet, wie die Saison enden wird.

(Christian Helms, sportal.de)

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