Montag, 10. April 2006

Freistuss Nr. 27: Wer ist Jens Lehmann?!?

Es gibt tatsächlich Menschen, denen es gelingt, das Thema Fußball komplett zu ignorieren. Die dieses wunderbare Spiel mit all seinen dramatischen Geschichten so gähnend langweilig finden, dass sie den Sportteil einer Tageszeitung nicht nur ungelesen, sondern sogar unberührt in den Papierkorb gleiten lassen. Die augenblicklich zur Fernbedienung greifen, sobald der Ball über den Schirm holpert oder Franz Beckenbauer ins Bild kommt. Menschen, die selbst während eines Weltturniers im eigenen Lande immun sind gegen die ansteckende Massenerkrankung Fußball-Fieber.

Eine gute Freundin von mir gehört zu dieser wundersamen Spezies. Sie hat, so denke ich zumindest, nicht die leiseste Ahnung, ob der FC Bayern München noch in der Champions League vertreten ist oder wer in zwei Monaten die Gruppengegner der deutschen Nationalelf sein werden. Ich bin mir auch sehr sicher, dass sie bis vor drei Tagen nicht wusste, wer Jens Lehmann ist – und es war zweifelsohne ihr gutes Recht, sich nicht für deutsche Torhüter zu interessieren. Am Freitag jedoch hat man ihr diese Entscheidungsfreiheit genommen.

Auch die seriösesten Nachrichtensendungen ließen es sich nicht nehmen, am Abend die beantwortete T-Frage zum Top-Thema zu machen, kaum ein Blatt hievte am Folgetag nicht den "maßlos enttäuschten" Titanen oder dessen grinsendes Pendant auf die Titelseite. Ausweichen unmöglich! Ungefragt wird jeder Bürger am Schicksal der DFB-Elf beteiligt, schon weit vor dem Beginn des Turniers mutieren schlichte Sportnachrichten – denn nichts anderes ist die Ankündigung des Bundestrainers, einen Spieler einem anderen vorzuziehen – zu umwerfenden Sensationen, anstatt wie gewohnt im Sportblock abgehandelt zu werden.

Dort, wo all die anderen, mindestens ebenso spannenden Fragen erörtert werden. Zum Beispiel die M-Frage (Wird es im Kampf um die Meisterschaft doch noch einmal eng?), die W-Frage (Kann sich der VfL Wolfsburg trotz aller Versuche, seine bedrohliche Lage zu ignorieren, noch am 1. FC Kaiserslautern vorbei in die Zweite Bundesliga mogeln?) oder die P-Frage (Wer darf in knapp drei Wochen in Berlin um den Pokalsieg kämpfen?) – all jene Fragen halt, die einigen Menschen völlig egal sind.

(Christian Helms, sportal.de)

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